Dienstag, 20. September 2011
Der Tod trägt Orange
gleyfin, 23:58h
Wie schon sooft war ich auch diesen Morgen wieder viel zu spät dran. Wie besessen hetzte ich durch das Haus. Als ich die Treppe hoch kam, weil ich etwas in meinem Zimmer vergessen hatte, blendete mich das grelle Orange der aufgehenden Sonne. Ich blieb auf der letzten Stufe stehen und betrachtete durch das Fenster hindurch, wie sich die kalten Sonnenstrahlen über den gegenüberliegenden Friedhof und die großen Bäume, welche die Sicht auf das kleine Stück Totenruhe ein wenig versperren, legte..
Wie ein Gewand, könnte man meinen.
Ich gab mir einen Ruck und beeilte mich, wieder runter zu kommen.
Hektisch riss ich dann die Terassentür auf, um meine Schuhe von draußen reinzuholen.
Und erschrack.
Neben der Tür lag ein kleiner, lebloser Federknäul.
Zögernd trat ich ein wenig näher an den kleinen Vogel heran und beäugte ihn verwundert. Das Federkleid der Brust war, welch ein Zufall, in kräftiges Orange getaucht. Sein winziger Kopf hing schlaff herunter und die Augen waren, wie im Schlaf, geschlossen.
Kein Blut, keine Wunden.
Wie von innen heraus.. dahinvegetiert.
Den ganzen Vormittag über war ich am überlegen, wie und wo ich das kleine Knäul am besten 'beerdigen' könnte.
Doch als ich bei meiner Uroma vor der Tür stand, rückte der Tod (leider nur) für kurze Zeit in den Hintergrund.
Wir saßen schweigend am Tisch und aßen.
Wie immer lief das Radio.
Thema war die Verstrahlung in Fukushima und was diese beim Menschen auslösen kann.
Verbrennungen, Geschwüre, Krebs..
Sie war schon fertig mit dem Essen und starrte die Wand an.
Immer wieder viel das Wort 'Krebs'.
Ich aß noch ein wenig Honigmelone.
Außen war sie grün und wurde nach innen hin 'orange'.
Sie schmeckte schon ein bisschen fad.
Trotzdem aß ich, mit dem Hintergedanken, sie könnte sonst gekränkt sein, weiter.
Eben hatte ich mir noch ein großes Stück Melone in den Mund geschoben, da meinte sie, scheinbar mit den Gedanken ganz wo anders:
''Oma geht es nicht so gut. Sie hat es mit der Schilddrüse.''
Mir blieb das Stück Melone im Hals stecken. Ich wollte es runterschlucken, doch ich konnte nicht. Husten war ebenfalls nicht machbar.
Verkrampft vor Angst saß ich da, die Gabel mit kalter Hand umkrallt, dem Ersticken nahe.
Mit weit aufgerissenen Augen starrte ich sie an, während ihr Blick weiterhin auf die Wand gerichtet war und im Radio erneut das Wort 'Krebs' fiel. Am liebsten hätte ich meine Gabel in Richtung Fensterbank geschleudert!
Doch es ging einfach nicht.
Ich dachte an die vielen Male, die meine Oma schon krank gewesen war. An die unzähligen Operationen und vergangenen Chemotherapien.
Plötzlich rührte sie sich.
Sie faltete die Hände und hob ihren Blick ein wenig an.
Es schien mir, als hätte sie vor Trauer glasige Augen. Oder war es doch nur der Trübe Blick des Alters?
Einen langen Augenblick später erhob sie sich schwerfällig.
''Räumst du ab?'', fragte sie bittend mit rauer Stimme.
Während ich das Geschirr spülte, überlegte ich fieberhaft, was ich für meine Oma tun könnte.
Beten, wie sie es getan hatte, kam für mich nicht infrage! Meine Granny ist nämlich eingefleischte Atheistin, ebenso, wie ich eine bin.
Was bringt es mir dann, jemanden um etwas zu bitten, der für mich sowieso nicht existiert?
Ich zermürbte mir also weiter das Hirn..
Und fand einfach keine Lösung.
Schweren Herzens ließ ich es erst ein mal ruhen und widmete mich wieder intensiv dem Spülen.
Als ich wieder zu Hause war, kam mir der Vogel wieder in den Sinn.
Wo sollte ich ihn bloß vergraben?
Als ich nach ihm sehen wollte,
war er verschwunden.
Nichts zeugte davon, dass er dort überhaupt gelegen hatte, wo ich ihn morgens fand.
Kurz schweifte mein Blick über den Garten, ich zuckte verwirrt die Achseln und kramte meinen Schlüssel hervor..
Eure Gleyfin
P.S. Und nein, 'Gott' wird mir nicht vergeben und meine Gebete, trotz meiner nicht vorhandenen Frommheit, erhören.
-.-''
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Wie ein Gewand, könnte man meinen.
Ich gab mir einen Ruck und beeilte mich, wieder runter zu kommen.
Hektisch riss ich dann die Terassentür auf, um meine Schuhe von draußen reinzuholen.
Und erschrack.
Neben der Tür lag ein kleiner, lebloser Federknäul.
Zögernd trat ich ein wenig näher an den kleinen Vogel heran und beäugte ihn verwundert. Das Federkleid der Brust war, welch ein Zufall, in kräftiges Orange getaucht. Sein winziger Kopf hing schlaff herunter und die Augen waren, wie im Schlaf, geschlossen.
Kein Blut, keine Wunden.
Wie von innen heraus.. dahinvegetiert.
Den ganzen Vormittag über war ich am überlegen, wie und wo ich das kleine Knäul am besten 'beerdigen' könnte.
Doch als ich bei meiner Uroma vor der Tür stand, rückte der Tod (leider nur) für kurze Zeit in den Hintergrund.
Wir saßen schweigend am Tisch und aßen.
Wie immer lief das Radio.
Thema war die Verstrahlung in Fukushima und was diese beim Menschen auslösen kann.
Verbrennungen, Geschwüre, Krebs..
Sie war schon fertig mit dem Essen und starrte die Wand an.
Immer wieder viel das Wort 'Krebs'.
Ich aß noch ein wenig Honigmelone.
Außen war sie grün und wurde nach innen hin 'orange'.
Sie schmeckte schon ein bisschen fad.
Trotzdem aß ich, mit dem Hintergedanken, sie könnte sonst gekränkt sein, weiter.
Eben hatte ich mir noch ein großes Stück Melone in den Mund geschoben, da meinte sie, scheinbar mit den Gedanken ganz wo anders:
''Oma geht es nicht so gut. Sie hat es mit der Schilddrüse.''
Mir blieb das Stück Melone im Hals stecken. Ich wollte es runterschlucken, doch ich konnte nicht. Husten war ebenfalls nicht machbar.
Verkrampft vor Angst saß ich da, die Gabel mit kalter Hand umkrallt, dem Ersticken nahe.
Mit weit aufgerissenen Augen starrte ich sie an, während ihr Blick weiterhin auf die Wand gerichtet war und im Radio erneut das Wort 'Krebs' fiel. Am liebsten hätte ich meine Gabel in Richtung Fensterbank geschleudert!
Doch es ging einfach nicht.
Ich dachte an die vielen Male, die meine Oma schon krank gewesen war. An die unzähligen Operationen und vergangenen Chemotherapien.
Plötzlich rührte sie sich.
Sie faltete die Hände und hob ihren Blick ein wenig an.
Es schien mir, als hätte sie vor Trauer glasige Augen. Oder war es doch nur der Trübe Blick des Alters?
Einen langen Augenblick später erhob sie sich schwerfällig.
''Räumst du ab?'', fragte sie bittend mit rauer Stimme.
Während ich das Geschirr spülte, überlegte ich fieberhaft, was ich für meine Oma tun könnte.
Beten, wie sie es getan hatte, kam für mich nicht infrage! Meine Granny ist nämlich eingefleischte Atheistin, ebenso, wie ich eine bin.
Was bringt es mir dann, jemanden um etwas zu bitten, der für mich sowieso nicht existiert?
Ich zermürbte mir also weiter das Hirn..
Und fand einfach keine Lösung.
Schweren Herzens ließ ich es erst ein mal ruhen und widmete mich wieder intensiv dem Spülen.
Als ich wieder zu Hause war, kam mir der Vogel wieder in den Sinn.
Wo sollte ich ihn bloß vergraben?
Als ich nach ihm sehen wollte,
war er verschwunden.
Nichts zeugte davon, dass er dort überhaupt gelegen hatte, wo ich ihn morgens fand.
Kurz schweifte mein Blick über den Garten, ich zuckte verwirrt die Achseln und kramte meinen Schlüssel hervor..
Eure Gleyfin
P.S. Und nein, 'Gott' wird mir nicht vergeben und meine Gebete, trotz meiner nicht vorhandenen Frommheit, erhören.
-.-''
... comment
kainthedevil,
Mittwoch, 21. September 2011, 18:32
Ich lese deine einträge immer wieder gern, weil sie so gut geschrieben sind und sie mich zum nachdenken bringen ^^
Danke
Danke
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