Montag, 14. November 2011
Taschentuch
gleyfin, 21:57h
Ich hörte das Knacken des Schlosses und nur einige Augenblicke später schwang die Flurtür auf.
''Wir müssen reden.''
Genervt seufzte ich, räumte mein Zeug weg und schlurfte nach oben, in mein Zimmer.
Ich wusste schon, worum es gleich gehen würde.
Eine scheinbare Ewigkeit saß ich da und wartete stumm, bevor die Tür kraftvoll aufschwang.
Das Klopfen blieb dieses Mal ganz aus.
Seufzend setzte sie sich auf mein Bett.
''Sie kommt nochmal und dann werden wir reden. Und du wirst ihr endlich sagen, was du von ihr hältst.''
''Dann heult sie aber wieder.'', sagte ich tonlos.
''Dann wird sie eben heulen. Wir müssen ihr klar machen, dass sie unser Vertrauen gebrochen hat.''
''Und ich werde bestimmt auch vor Wut heulen.'', warf ich dazwischen.
''Dann sieht sie eben, was sie dir angetan hat!''
Ich setzte mich zu ihr auf das Bett und lehnte mich gegen die Wand.
Wir schwiegen eine Weile.
''Du sollst endlich aufhören, sie zu ignorieren.'', zerriss sie flüsternd die Stille.
''Ich habe ihr nichts mehr zu sagen. Außerdem habe ich Angst, dass sie mir noch etwas wegnehmen könnte. Und das wird sie auch.''
''Aber du bist bei dem Gespräch dabei.'' Es klang wie eine beschlossene Sache, nicht wie eine Frage.
''Ich versuch's.''
Müde schüttelte sie den Kopf
''Ich habe dir von Anfang an gesagt, dass du ihr nicht zu viel erzählen sollst. Ich habe schon von Anfang an geahnt, dass sie falsch ist.''
Wieder herrschte betretenes Schweigen.
Nach einiger Zeit begannen wir wieder zu reden. Und nach und nach stieg dieser brennende Hass und die Wut wieder in mir auf, heiße Tränen liefen mir über mein Gesicht. Wütend riss ich ein Taschentuch aus der Box und fluchte schniefend.
Als ich meinem Zorn Luft gemacht und ich ihr erneut gesagt hatte, wie sehr ich diese Schlange verabscheue, schaute sie mich aus traurig funkelnden Augen an
''Du denkst immer, dass du ein schweres Leben hast. Wenn du nur wüsstest, wie meine Kindheit und meine Jugend waren, dann- Du hast es richtig gut, meine Liebe.''
''Du erzählst mir ja nie irgendetwas.'', murmelte ich kleinlaut.
Gedankenverloren starrte sie an die Wand, dann füllten sich ihre Augen mit Tränen.
Langsam schüttelte sie den Kopf und begann mit zitternder Stimme zu erzählen, wie schwer sie es mit ihrem Großvater hatte.
Verblüfft reichte ich ihr die karrierte Taschentuchbox und hörte ihr fassungslos zu.
Am Ende saßen wir beide still da, verheult und in Gedanken versunken.
...
Wie irre schrubbte ich das Bad, saugte und räumte auf. Dann zog ich mich um, schließlich wollte ich nicht schluderig vor ihr sitzen, sondern Selbstsicherheit ausstrahlen. Schnell nachgeschminkt, die Haare gerichtet und die Anspannung weggeatmet.
Es klingelte, die Tür wurde aufegschoben
und dann war sie da.
So lange es ging, blieb ich oben, sagte mir immer wieder, dass ich nicht losheulen würde, machte Atemübungen, wie vor einer Presentation.
Dann geschah das Unausweichliche.
Ich wurde gerufen.
Langsam trottete ich die Treppe hinunter und trat stumm in das Wohnzimmer-
ohne sie zu begrüßen.
Wir deckten den Tisch und setzten uns.
Das erste Mal seit Wochen sah ich ihr wieder ins Gesicht. Sie hatte wieder angefangen, sich wie eine Vogelscheuche zu schminken.
Beide redeten sie auf sie ein und wie immer stammelte sie nur dümmlich herum, fand keine Worte.
Und fing an zu heulen.
Wie schon sooft.
Ab und an zog es in der Magengrube, ich wollte ihr endlich alles ins Gesicht brüllen.
Seit Tagen brannte mir ein kleiner Satz auf der Seele, eine Frage, die ich ihr ganz zu Anfang stellen wollte.
''Was denkst du, warum ich nicht mit dir rede?''
Mehr nicht. Ich wollte wissen, was sie mir darauf antwortete. Es heißt zwar, dass man nie das sagt, was man sagen wollte, doch diesen Satz bekam ich trotz allem heraus.
Als sie dann lediglich ein ''Weiß ich nicht.'' herauspresste, explodierte ich vor Wut und Tränen.
Mit der Zeit wurde ich immer lauter und als ich fertig war holte ich mir ein Taschentuch.
Danach saß ich gefühlte Stunden am Tisch, starrte in die Küche und musste mir ihre getsammelten Lügen anhören. Irgendwann sprang ich ungeduldig auf, räumte meinen Becher weg und verkündete lautstark und zudem gereizt, dass ich mir nicht länger diesen Schwachsinn anhören würde und das das alles sowieso nichts bringe.
''Du hast gesagt, dass du hier bleibst!'', rief sie aufgebracht.
''Ich habe gesagt, dass ich es versuchen werde. Sie weiß jetzt, was ich von ihr halte. Das hier bringt jetzt sowieso nichts mehr!''
Daraufhin verabschiedete ich mich mit einer knallenden Tür.
Später am Abend schleifte sie mich dann in die Höhle der Schlange und zwang mich, ihr die Hand zu geben.
Leider war ich nicht annäherend so ernst, wie ich es mir vorgenommen hatte.
Ich kicherte ununterbrochen. Drei Tage lang sogar.
Letzten Endes schaffte mein Bruder, mich aus meiner guten Laune zu reißen und diese vor meinen Augen binnen zwei Minuten zu erdrosseln und auszuweiden.
Warum ich lachte? Vielleicht, weil endlich eine schwere Last von mir gefallen war. Ich fühlte mich unglaublich erleichtert.
Und trotzdem wird sie mir immer ein rotes Tuch bleiben, ein vergifteter Dorn in meinem Auge.
Eure Gleyfin
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''Wir müssen reden.''
Genervt seufzte ich, räumte mein Zeug weg und schlurfte nach oben, in mein Zimmer.
Ich wusste schon, worum es gleich gehen würde.
Eine scheinbare Ewigkeit saß ich da und wartete stumm, bevor die Tür kraftvoll aufschwang.
Das Klopfen blieb dieses Mal ganz aus.
Seufzend setzte sie sich auf mein Bett.
''Sie kommt nochmal und dann werden wir reden. Und du wirst ihr endlich sagen, was du von ihr hältst.''
''Dann heult sie aber wieder.'', sagte ich tonlos.
''Dann wird sie eben heulen. Wir müssen ihr klar machen, dass sie unser Vertrauen gebrochen hat.''
''Und ich werde bestimmt auch vor Wut heulen.'', warf ich dazwischen.
''Dann sieht sie eben, was sie dir angetan hat!''
Ich setzte mich zu ihr auf das Bett und lehnte mich gegen die Wand.
Wir schwiegen eine Weile.
''Du sollst endlich aufhören, sie zu ignorieren.'', zerriss sie flüsternd die Stille.
''Ich habe ihr nichts mehr zu sagen. Außerdem habe ich Angst, dass sie mir noch etwas wegnehmen könnte. Und das wird sie auch.''
''Aber du bist bei dem Gespräch dabei.'' Es klang wie eine beschlossene Sache, nicht wie eine Frage.
''Ich versuch's.''
Müde schüttelte sie den Kopf
''Ich habe dir von Anfang an gesagt, dass du ihr nicht zu viel erzählen sollst. Ich habe schon von Anfang an geahnt, dass sie falsch ist.''
Wieder herrschte betretenes Schweigen.
Nach einiger Zeit begannen wir wieder zu reden. Und nach und nach stieg dieser brennende Hass und die Wut wieder in mir auf, heiße Tränen liefen mir über mein Gesicht. Wütend riss ich ein Taschentuch aus der Box und fluchte schniefend.
Als ich meinem Zorn Luft gemacht und ich ihr erneut gesagt hatte, wie sehr ich diese Schlange verabscheue, schaute sie mich aus traurig funkelnden Augen an
''Du denkst immer, dass du ein schweres Leben hast. Wenn du nur wüsstest, wie meine Kindheit und meine Jugend waren, dann- Du hast es richtig gut, meine Liebe.''
''Du erzählst mir ja nie irgendetwas.'', murmelte ich kleinlaut.
Gedankenverloren starrte sie an die Wand, dann füllten sich ihre Augen mit Tränen.
Langsam schüttelte sie den Kopf und begann mit zitternder Stimme zu erzählen, wie schwer sie es mit ihrem Großvater hatte.
Verblüfft reichte ich ihr die karrierte Taschentuchbox und hörte ihr fassungslos zu.
Am Ende saßen wir beide still da, verheult und in Gedanken versunken.
...
Wie irre schrubbte ich das Bad, saugte und räumte auf. Dann zog ich mich um, schließlich wollte ich nicht schluderig vor ihr sitzen, sondern Selbstsicherheit ausstrahlen. Schnell nachgeschminkt, die Haare gerichtet und die Anspannung weggeatmet.
Es klingelte, die Tür wurde aufegschoben
und dann war sie da.
So lange es ging, blieb ich oben, sagte mir immer wieder, dass ich nicht losheulen würde, machte Atemübungen, wie vor einer Presentation.
Dann geschah das Unausweichliche.
Ich wurde gerufen.
Langsam trottete ich die Treppe hinunter und trat stumm in das Wohnzimmer-
ohne sie zu begrüßen.
Wir deckten den Tisch und setzten uns.
Das erste Mal seit Wochen sah ich ihr wieder ins Gesicht. Sie hatte wieder angefangen, sich wie eine Vogelscheuche zu schminken.
Beide redeten sie auf sie ein und wie immer stammelte sie nur dümmlich herum, fand keine Worte.
Und fing an zu heulen.
Wie schon sooft.
Ab und an zog es in der Magengrube, ich wollte ihr endlich alles ins Gesicht brüllen.
Seit Tagen brannte mir ein kleiner Satz auf der Seele, eine Frage, die ich ihr ganz zu Anfang stellen wollte.
''Was denkst du, warum ich nicht mit dir rede?''
Mehr nicht. Ich wollte wissen, was sie mir darauf antwortete. Es heißt zwar, dass man nie das sagt, was man sagen wollte, doch diesen Satz bekam ich trotz allem heraus.
Als sie dann lediglich ein ''Weiß ich nicht.'' herauspresste, explodierte ich vor Wut und Tränen.
Mit der Zeit wurde ich immer lauter und als ich fertig war holte ich mir ein Taschentuch.
Danach saß ich gefühlte Stunden am Tisch, starrte in die Küche und musste mir ihre getsammelten Lügen anhören. Irgendwann sprang ich ungeduldig auf, räumte meinen Becher weg und verkündete lautstark und zudem gereizt, dass ich mir nicht länger diesen Schwachsinn anhören würde und das das alles sowieso nichts bringe.
''Du hast gesagt, dass du hier bleibst!'', rief sie aufgebracht.
''Ich habe gesagt, dass ich es versuchen werde. Sie weiß jetzt, was ich von ihr halte. Das hier bringt jetzt sowieso nichts mehr!''
Daraufhin verabschiedete ich mich mit einer knallenden Tür.
Später am Abend schleifte sie mich dann in die Höhle der Schlange und zwang mich, ihr die Hand zu geben.
Leider war ich nicht annäherend so ernst, wie ich es mir vorgenommen hatte.
Ich kicherte ununterbrochen. Drei Tage lang sogar.
Letzten Endes schaffte mein Bruder, mich aus meiner guten Laune zu reißen und diese vor meinen Augen binnen zwei Minuten zu erdrosseln und auszuweiden.
Warum ich lachte? Vielleicht, weil endlich eine schwere Last von mir gefallen war. Ich fühlte mich unglaublich erleichtert.
Und trotzdem wird sie mir immer ein rotes Tuch bleiben, ein vergifteter Dorn in meinem Auge.
Eure Gleyfin
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