Samstag, 2. Februar 2013
Zum Freiküssen verurteilt
gleyfin, 02:14h
Den blauen Regenschirm hatte ich in die Plastiktüte gestopft, doch lugte er heraus.
Wie so oft schlenderte ich durch die Straßen der Altstadt und hing meinen Gedanken nach, erledigte Einkäufe. Ausnahmsweise allein.
In der Ferne hörte ich lautes Gelächter, Bierdeckel ergossen sich rasselnd und scheppernd über das Pflaster.
Schon als ich in der Stadt ankam und mit meinem Fahrrad langsam am alten Rathaus vorbeiradelte, sah ich die Truppe dastehen, Bier trinken und derbe lachen.
Ein Kerl, gekleidet in Fokuhila-Perrücke, Sonnenbrille, Dreitagebart, Jogginganzug, weiße Tennissocken und Badeschlappen, fegte die Deckel immer und immer wieder zusammen, machte Scherze, trank.
Und immer mehr Bierdeckel wurden in den Kreis geworfen.
Und als ich also ging und dachte und mit nichts und niemandem rechnete, da hörte ich eine Stimme sagen, ganz nah:
''Hey, kannst du mir einen Gefallen tun, bitte?''
Ich war erneut am alten Rathaus angelangt und hatte nicht gemerkt, wie der Junggeselle sich zu mir gestellt hatte.
Verwirrt hielt ich inne und blickte ihm in sein Gesicht.
Seine Augen waren noch immer von der Sonnenbrille verdeckt.
Es dämmerte.
''Darf ich dich was fragen?''
Der Geruch von Bier schlug mir ins Gesicht, doch schien er nicht zu lallen.
Erstarrt blickte ich in die Runde aus fröhlichen Gesichtern.
Mir fiel auf, dass es mehr geworden waren seit dem frühen Nachmittag und auch, dass nun alle Blicke auf ihm und mir ruhten.
Ein Grinsen entwischte mir und ich nickte, innerlich vor Neugierde und Aufregung schäumend.
''Bist du Jungfrau?''
Mit großen Augen sah ich ihn an.
Ich lachte auf. Um uns herum begann es zu Murmeln, hier und da wurde gegröhlt und gebuht.
Eine ältere Frau, mit kurzem Haar und sicher zwei Köpfe kleiner als ich, trat an meine Seite.
''Bist du Jungfrau?'', fragte der Kerl erneut, freundlich und lächelnd.
Was ist schon dabei?
Ich grinste erneut.
''Ja, bin ich.''
Sein Lächeln wurde größer.
''Könntest du mich vielleicht freiküssen? Ich stehe hier schon den ganzen Tag und habe ehrlich keine Lust mehr, die Bierdeckel da aufzufegen.''
Wieder wurden meine Augen groß.
Inwiefern denn 'freiküssen'?
Bevor ich etwas einwenden konnte, sagte die alte Dame:
''Ach, sie sind so ein hübsches Mädchen. Küssen sie ihn ruhig, das macht sicher Spaß.''
Was um alles in der Welt geht denn hier ab?!
Plötzlich schien alles ganz schnell zu gehen.
Das Gröhlen wurde lauter und lauter, die Menschen schienen näher zu kommen, der Kerl und ich redeten miteinander und unsichtbare Bierwolken strichen über mein Gesicht. Ein Freund von ihm kam bald dazu und auch er redete, wie alle eine Bierflasche in der Hand haltend, auf mich ein.
Das Pöbeln wurde unerträglich, schien mich zu drängen, mich zu fordern, doch ohne Wut.
Es war der Witz, ein Reiz, welcher mir in den Ohren, auf der Zunge brannte. Es war so unwirklich, so plötzlich. Ich wusste nicht, was tun, obwohl ich doch schon längst eine Entscheidung getroffen hatte.
Hin und her und vollen allen Seiten, was soll ich tun, was mach ich jetzt? Die gucken mich ja immer noch alle an.
Ich weiß nicht, ich kann nur noch-
''Na gut, komm!'' Ich konnte nicht aufhören zu grinsen.
Was tat ich da bloß?
Erleichtert winkte er mir und das Gröhlen schwoll noch einmal beträchtlich an.
Wir gingen an den Bierdeckeln vorüber, sie knirschten auf dem Stein, und die Stufen hinauf zum alten Rathaus.
''Aber auf die Wange!'' Ich lächelte.
''Natürlich.'' Wie ein kleiner Junge stellte er sich frech grinsend auf die oberste Stufe und ich mich nebendran.
Ein flüchtiger Kuss strich seine Wange, der Bart kratzte. Insgeheim befürchtete ich, er würde sich schnell zu mir drehen.
Ich musste mir ein Auflachen verkneifen.
Das protestierende Brüllen der Zuschauer brach noch immer nicht ab, eine Frau mit Fotoapparat eilte herbei und rief über den Lärm hinweg:
''Einmal noch, bitte! Wir brauchen ein Beweisfoto!''
Sie lachte und mir wurde warm.
Wieder küsste ich ihn, diesmal länger.
Es blitzte und donnerte und wieder haftete der Geruch von Bier an mir.
Nun prustete ich los und lies vom dreitagebärtigen Kerl.
Er gab mir die Hand und sagte, so, dass nur ich ihn hören konnte:
''Danke! Dafür bekommst du auch einen Kuss!''
Lächelnd hielt ich ihm eine Wange hin und bekam einen kratzigen Bierkuss aufgedrückt.
Mit einem schüchternen Wink für die Menge verabschiedete ich mich und wollte schnell und kichernd das Weite suchen.
Endlich legte sich das Donnern der Gröhler und als ich schon beinahe nicht mehr im Kreis stand, kamen zwei Frauen auf mich zu.
Die alte von vorhin. Sie lächelte und sagte:
''Das haben sie schön gemacht!''
Ich grinste. Die nächste -sie war ein wenig größer, trug eine Brille auf der Nase und einen Becher Bier in der Hand- sagte im Vorbeigehen:
''Das haben sie gut gemacht. Ich bin die Mutter.''
Dömdömdööö
''Danke.''
Blut dröhnte in meinen Ohren, schnell und grinsend verschwand ich in den kleinen Straßen.
Der Geruch von Bier hing noch lang an diesem Nachmittag in meiner Nase.
Eure Gleyfin
P.S. Gilt dem Herbst 2012
...bereits 750 x gelesen
Wie so oft schlenderte ich durch die Straßen der Altstadt und hing meinen Gedanken nach, erledigte Einkäufe. Ausnahmsweise allein.
In der Ferne hörte ich lautes Gelächter, Bierdeckel ergossen sich rasselnd und scheppernd über das Pflaster.
Schon als ich in der Stadt ankam und mit meinem Fahrrad langsam am alten Rathaus vorbeiradelte, sah ich die Truppe dastehen, Bier trinken und derbe lachen.
Ein Kerl, gekleidet in Fokuhila-Perrücke, Sonnenbrille, Dreitagebart, Jogginganzug, weiße Tennissocken und Badeschlappen, fegte die Deckel immer und immer wieder zusammen, machte Scherze, trank.
Und immer mehr Bierdeckel wurden in den Kreis geworfen.
Und als ich also ging und dachte und mit nichts und niemandem rechnete, da hörte ich eine Stimme sagen, ganz nah:
''Hey, kannst du mir einen Gefallen tun, bitte?''
Ich war erneut am alten Rathaus angelangt und hatte nicht gemerkt, wie der Junggeselle sich zu mir gestellt hatte.
Verwirrt hielt ich inne und blickte ihm in sein Gesicht.
Seine Augen waren noch immer von der Sonnenbrille verdeckt.
Es dämmerte.
''Darf ich dich was fragen?''
Der Geruch von Bier schlug mir ins Gesicht, doch schien er nicht zu lallen.
Erstarrt blickte ich in die Runde aus fröhlichen Gesichtern.
Mir fiel auf, dass es mehr geworden waren seit dem frühen Nachmittag und auch, dass nun alle Blicke auf ihm und mir ruhten.
Ein Grinsen entwischte mir und ich nickte, innerlich vor Neugierde und Aufregung schäumend.
''Bist du Jungfrau?''
Mit großen Augen sah ich ihn an.
Ich lachte auf. Um uns herum begann es zu Murmeln, hier und da wurde gegröhlt und gebuht.
Eine ältere Frau, mit kurzem Haar und sicher zwei Köpfe kleiner als ich, trat an meine Seite.
''Bist du Jungfrau?'', fragte der Kerl erneut, freundlich und lächelnd.
Was ist schon dabei?
Ich grinste erneut.
''Ja, bin ich.''
Sein Lächeln wurde größer.
''Könntest du mich vielleicht freiküssen? Ich stehe hier schon den ganzen Tag und habe ehrlich keine Lust mehr, die Bierdeckel da aufzufegen.''
Wieder wurden meine Augen groß.
Inwiefern denn 'freiküssen'?
Bevor ich etwas einwenden konnte, sagte die alte Dame:
''Ach, sie sind so ein hübsches Mädchen. Küssen sie ihn ruhig, das macht sicher Spaß.''
Was um alles in der Welt geht denn hier ab?!
Plötzlich schien alles ganz schnell zu gehen.
Das Gröhlen wurde lauter und lauter, die Menschen schienen näher zu kommen, der Kerl und ich redeten miteinander und unsichtbare Bierwolken strichen über mein Gesicht. Ein Freund von ihm kam bald dazu und auch er redete, wie alle eine Bierflasche in der Hand haltend, auf mich ein.
Das Pöbeln wurde unerträglich, schien mich zu drängen, mich zu fordern, doch ohne Wut.
Es war der Witz, ein Reiz, welcher mir in den Ohren, auf der Zunge brannte. Es war so unwirklich, so plötzlich. Ich wusste nicht, was tun, obwohl ich doch schon längst eine Entscheidung getroffen hatte.
Hin und her und vollen allen Seiten, was soll ich tun, was mach ich jetzt? Die gucken mich ja immer noch alle an.
Ich weiß nicht, ich kann nur noch-
''Na gut, komm!'' Ich konnte nicht aufhören zu grinsen.
Was tat ich da bloß?
Erleichtert winkte er mir und das Gröhlen schwoll noch einmal beträchtlich an.
Wir gingen an den Bierdeckeln vorüber, sie knirschten auf dem Stein, und die Stufen hinauf zum alten Rathaus.
''Aber auf die Wange!'' Ich lächelte.
''Natürlich.'' Wie ein kleiner Junge stellte er sich frech grinsend auf die oberste Stufe und ich mich nebendran.
Ein flüchtiger Kuss strich seine Wange, der Bart kratzte. Insgeheim befürchtete ich, er würde sich schnell zu mir drehen.
Ich musste mir ein Auflachen verkneifen.
Das protestierende Brüllen der Zuschauer brach noch immer nicht ab, eine Frau mit Fotoapparat eilte herbei und rief über den Lärm hinweg:
''Einmal noch, bitte! Wir brauchen ein Beweisfoto!''
Sie lachte und mir wurde warm.
Wieder küsste ich ihn, diesmal länger.
Es blitzte und donnerte und wieder haftete der Geruch von Bier an mir.
Nun prustete ich los und lies vom dreitagebärtigen Kerl.
Er gab mir die Hand und sagte, so, dass nur ich ihn hören konnte:
''Danke! Dafür bekommst du auch einen Kuss!''
Lächelnd hielt ich ihm eine Wange hin und bekam einen kratzigen Bierkuss aufgedrückt.
Mit einem schüchternen Wink für die Menge verabschiedete ich mich und wollte schnell und kichernd das Weite suchen.
Endlich legte sich das Donnern der Gröhler und als ich schon beinahe nicht mehr im Kreis stand, kamen zwei Frauen auf mich zu.
Die alte von vorhin. Sie lächelte und sagte:
''Das haben sie schön gemacht!''
Ich grinste. Die nächste -sie war ein wenig größer, trug eine Brille auf der Nase und einen Becher Bier in der Hand- sagte im Vorbeigehen:
''Das haben sie gut gemacht. Ich bin die Mutter.''
Dömdömdööö
''Danke.''
Blut dröhnte in meinen Ohren, schnell und grinsend verschwand ich in den kleinen Straßen.
Der Geruch von Bier hing noch lang an diesem Nachmittag in meiner Nase.
Eure Gleyfin
P.S. Gilt dem Herbst 2012
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